Wie kam es in Ihrem Fall dazu, das Wechselmodell zu praktizieren?
Anfang 2012, mein Sohn Leon war noch nicht ganz 14 Jahre alt, verschob sich nach und nach der übliche Rhythmus zwischen den Aufenthalten bei mir und seiner Mutter. Vereinbart war bis dahin jede zweite Woche ein verlängertes Wochenende bei mir von Donnerstag bis Montag. Im Verlauf wurde diese Zeitspanne jedoch immer mehr ausgedehnt. Zunächst, nach Rücksprache mit der Mutter, sporadisch, dann immer systematischer. Irgendwann hat sich dann ein klassisches Wechselmodell herausgebildet, so dass Leon eine Woche bei mir und meiner neuen Lebenspartnerin wohnte. Das Ganze war also nicht direkt geplant, sondern hat sich eher organisch entwickelt.
Was waren die Erwartungen an das Modell?
Das Modell sollte einerseits der Entlastung von Leon dienen, der zunehmend Schwierigkeiten hatte, sich mit dem neuen Lebenspartner seiner Mutter zu arrangieren. Andererseits sollte es aber auch die sich daraus ergebende familiäre Situation entschärfen. Für mich als Vater war das in der Phase eine gute Lösung, die mir erlaubte, meinen Sohn quantitativ mehr bei mir zu haben und qualitativ größere Anteile an seinem Alltags(er)leben zu bekommen.
Was lief gut bei dieser Umgangslösung, wo gab es Probleme?
Das Wechselmodell schien zunächst für alle Seiten eine probate Lösung zu ergeben. Leon hatte mehr Stabilität durch klare, zeitmäßig überschau- und planbare Umgangszeiten, weniger Wohnortwechsel, was sich auch für den Schulalltag als günstig erwies. Und ich konnte ihn bei schulischen Aufgaben oder Konflikten authentischer begleiten, da mir vermehrt Einblick in seinen Alltag und die damit verbundenen Pflichten möglich war. Außerdem veränderte sich auch Leons Status hinsichtlich der Übernahme häuslicher Pflichten, die er mit der neuen Aufteilung auch selbstverständlicher bei mir erfüllte.
Probleme entstanden im Verlauf dieser Aufteilung, da sich die Konflikte im Haushalt der Mutter zwar zahlenmäßig verringert hatten, jedoch in ihrer Intensität ähnlich blieben. In der Konsequenz führte das dazu, dass Leon nach etwa einem halben Jahr Wechselmodell „ganz“ bei mir eingezogen ist. Seitdem verbringt er jedes zweite Wochenende bei seiner Mutter, was für alle Beteiligten zu deutlich weniger belasteten Beziehungen geführt hat.
Wie ging es dem Kind damit?
Leon hat von Beginn an die Umgangslösungen mitgetragen, bzw. diese sogar initiiert, was natürlich auch durch sein Alter und seinen Entwicklungsstand mit 14 Jahren bedingt ist. Was zunächst schleichend begann – es gab dann immer einen konkreten Grund für das verlängerte Bleiben – wurde später durch Leons Fragen und die daraufhin angestrebte Klärung in Gesprächen mit Leon und den Eltern als Regelung implementiert, die für alle klar und überschaubar war. An dieser Stelle geht eine große Anerkennung an Leons Mutter, die bei deutlicher und gut nachvollziehbarer emotionaler Belastung stark genug war, für und mit Leon zu entscheiden.
Für Leon war das Wechselmodell eine Zeit lang gut geeignet, da er sich nun nicht mehr sporadisch den Konflikten entziehen musste, sondern geplant etwas in Abstand kommen konnte. In der ersten Zeit musste ich mich mit Leon jedoch auch erst einmal „beschnuppern“. Der Wochenendpapa ist doch deutlich bequemer, als der, der häufiger präsent ist und auf einmal auch kontrollierend nerven kann. Allerdings hielten sich die daraus resultierenden Konflikte in Grenzen.
Was würden Sie Eltern empfehlen, die sich nicht sicher sind, ob das Modell das Richtige für sie ist?
Meine erste Empfehlung wäre: Hört auf, sicher sein zu wollen! Das ist das Schwerste an solchen Entscheidungen. Es wird immer ein Wenn und Aber, ein Sowohl-als-auch geben. Perfekte Lösungen existieren nicht. Aber jede angestrebte Lösung sollte mit klaren einfachen Regeln ausgestattet sein, die wenige Schlupflöcher lassen und an die sich alle Involvierten gut halten können. Eltern UND Kinder. Dazu gehört aber auch ein zeitlicher Rahmen, z. B. ein Zeitpunkt für die Überprüfung der Tauglichkeit der getroffenen Absprachen, der allen den Druck nimmt, hier etwas für immer entscheiden zu müssen.
Dazu sollte man natürlich miteinander reden können; auch wenn es schwer fällt und wenn dies mit persönlichen Verletzungen und Kränkungen einhergehen kann.