Der Vater von Benjamin (2½ Jahre) und ich haben uns vor gut zwei Jahren getrennt. Als unser Sohn acht Monate alt war, zog der Vater aus der gemeinsamen Wohnung aus. Obwohl wir untereinander große Schwierigkeiten hatten, kam der Vater damals regelmäßig in unsere Wohnung und kümmerte sich ein bis zwei Stunden am Tag um Benjamin. Somit änderte sich für Benjamin erst einmal gar nicht viel. Er war weiterhin ein aufgewecktes fröhliches Baby und freute sich immer über jeden von uns.
Um uns überhaupt austauschen zu können und die Möglichkeiten für die Zukunft auszuloten, begannen der Vater und ich eine Mediation beim VAMV. Dort haben wir erst einmal die Probleme sortiert und versucht, unsere Wünsche für die nächsten Wochen und Monate zu formulieren. Schwierige Themen waren die Umgangszeiten, die restliche Elternzeit, der Unterhalt und die Einhaltung von Absprachen. Es war sehr mühsam und wir gerieten häufig in Streit. Erstaunlicherweise gingen wir aber jedes Mal mit einem kleinen Ergebnis aus der Sitzung.
Ich habe mich nebenbei über mögliche Umgangsmodelle für getrennte Eltern informiert, las Studien und sprach mit anderen getrennten Eltern. Das paritätische Wechselmodell hatten der Vater und ich zur Zeit des Zusammenlebens schon einmal durchdacht. Er war nach der Trennung ganz klar dafür, dieses möglichst schnell einzuführen. Ich war unsicher, ob wir dem Modell gewachsen wären, weil sich die Kommunikation zwischen uns weiter schwierig gestaltete. Der gute Austausch zwischen den Eltern sollte jedoch Grundvoraussetzung für das paritätische Wechselmodell sein. Das las ich und merkte auch in der Praxis, wie viel Kraft es kostete, wenn wir uneinig waren. Aufgrund der sich zeitlich angleichenden Betreuungszeiten hatten wir immer mehr abzusprechen. Außerdem begann für mich der schmerzhafte Prozess, in dem ich mich von Benjamin lösen musste. Zumal er noch sehr klein war und ich ihn nicht mit zu viel Veränderung strapazieren wollte. Trotz allem war klar, dass jedes andere Modell eine Entbehrung für Benjamin darstellen würde.
So steuerten wir in kleinen Etappen eine 50/50-Betreuung an, wobei ich eher ein langsames Tempo, der Vater ein schnelleres anstrebte. Oberstes Gebot war, dass es Benjamin gut geht und er die Zeit bei uns beiden genießt. Benjamins Strahlen, die Wiedersehensfreude und seine gute Entwicklung sprachen dafür, dass wir auf einem guten Weg waren. Sich darauf zu besinnen, ist auch heute noch hilfreich, wenn es zwischen uns Eltern Probleme gibt.
Seit einem knappen Jahr lebt Benjamin nun zur einen Hälfte bei mir und zur anderen bei seinem Vater. Eigentlich läuft es gut. Wenn er fröhlich und aufgeregt von seinem Teddy in der „Heisestraße“ und den Unternehmungen mit seinem Papa erzählt, sticht es zwar ein wenig, es macht mich gleichzeitig aber auch sehr zufrieden. Zweifel an unserer Entscheidung für das Wechselmodell kommen bei mir dennoch zeitweise auf. Ich habe mich schon dabei ertappt, in Benjamins Lebensumständen den Grund für z. B. eine angespanntere Entwicklungsphase zu sehen. Ich frage mich dann, wie es sein muss, zweimal in der Woche sein Wohnumfeld zu wechseln. Das ist eine enorme Leistung, die unser Sohn ständig bringt. Es tut dann gut zu sehen, dass in anderen Familien ähnliche Verhalten auffallen. Ein gleichaltriger Freund von Benjamin hatte z. B. zeitgleich eine Schlechte-Laune-Phase und ganz plötzlich war sie bei beiden vorbei. Eine gute Erkenntnis ist auch, dass es in intakten Familien häufig vergleichbare Konflikte zwischen den Eltern gibt wie bei uns getrennten Eltern. So habe ich schon kritisiert, dass der Vater Benjamin überfordert, und er hat mir vorgeworfen, ihn zu überbehüten. Das scheint normal zu sein.
In den letzten Wochen haben wir ein paarmal etwas zu dritt unternommen. Ich hatte die Vorstellung, dass es für Benjamin wahnsinnig toll und aufregend sein müsste, Mama und Papa zur gleichen Zeit zu erleben. Aber er war weniger beeindruckt, sondern nahm die Situation ganz selbstverständlich und zufrieden mit. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen.